Bonn, 13.9.2016. In den letzten zwei Dekaden hat sich im Management eine fundamentale Erkenntnis durchgesetzt: Wer stark wachsen will, braucht keine Vertriebsscharen oder Klinkenputzer, keine achtstelligen Werbebudgets und kein Patentmonopol. Denn die Sieger unter den Start-Ups haben es völlig anders geschafft, in wenigen Jahren zur Weltführerschaft zu kommen: durch extrem kurze und kompromisslos vorangetriebene Innovationszyklen.
Von Dipl.-Kfm. Ingmar P. Brunken, Geschäftsführer BRUNKEN CONSULTING
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Amazon, Google, Ebay, Uber, Tesla, Airbnb, Spotify – sie alle haben etwas gemeinsam: Sie sind extrem bekannt und haben in ihrer Branche jeweils weltweit führende Marktanteile. Und es gibt sie erst seit weniger als 20 Jahren. Wie haben sie das geschafft?
Umgekehrt waren zuvor noch Blockbuster wie Quelle, Neckermann, Kodak, Agfa, Nokia, Yahoo, EMI die Platzhirsche ihrer Branchen – niemand hätte sich damals vorstellen können, das sie in Kürze von kleinen Start-Ups besiegt werden würden.
Das Zauberwort heißt: Innovation. |
Die Bedeutung der Innovationszyklen für den Erfolg und das Überleben von Unternehmen
Lange Zeit nämlich galt die Mär als wahr, dass profitables Wachstum allein von erfolgreichem Vertrieb und Marketing herrührt. Erfolgreiche Beispiele schienen das zu beweisen: Procter & Gamble als Werbemaschine, das dichte Vertriebsmittlernetz der Allianz-Versicherung oder die Sparkassen mit ihrer gerühmten Kundennähe galten als Belege.
Inzwischen wissen wir es besser. Ein leistungsfähiges Marketing- und Vertriebskonzept ist notwendig für kurzfristigen Erfolg, hinreichend jedoch für den nachhaltigen Erfolg ist ein professionelles Innovationsmanagement, auch „Business Development Management“ genannt. Märkte und Geschäftsmodelle, auch Bedürfnisse und Preisbereitschaften wandeln sich, und zwar immer schneller. Wenn ein Marktangebot zwar erfolgreich ist, sich aber nicht den Märkten anpasst (also statisch bleibt), dann führt das logischerweise erst zum Verlust der Alleinstellung wegen Nachahmung (zunehmender Wettbewerbsdruck) und danach zu immer stärkeren Akzeptanzmängeln wegen veränderter Bedürfnisse (schrumpfender Markt). Besonders Großunternehmen sind davon betroffen, weil sie dazu neigen, statisch zu sein – ganz wie der sprichwörtlich schlecht manövrierfähige Supertanker.
Während Großunternehmen dann oft dazu tendieren, die Akzeptanzmängel mit Marktmacht zu beeinflussen (Stichwort „Lobby“) und z.B. Grenzwerte oder Normen zu ihren Gunsten zu lenken oder gar Gesetze zu übertreten (Stichwort „Dieselgate“), sind kleine und mittlere Unternehmen dazu nicht in der Lage. Sie agieren stattdessen dynamisch und passen sich den Veränderungen an. Das ist mittelfristig ohnehin die weit bessere Strategie: Denn irgendwann wird jedes Angebot obsolet, die Kluft zwischen Bedarf und Angebot zu groß für Lobbyismus. Dann stürzt das alte Angebot aus dem Markt.
Neue Methoden zur gezielten Steuerung von Innovationen
In den zwei Start-Up-Booms seit der Jahrtausendwende hatten die Wirtschaftsfachleute ausreichend Gelegenheit, den Mechanismen von erfolgreichem Innovationsmanagement auf die Spur zu kommen. Erstaunliche Kreativmethoden sind entstanden, und haben seitdem Belege ihrer Wirksamkeit geliefert. Exemplarisch genannt seien hier der „Blue Ocean“-Strategieansatz von Kim/Mauborgne, der Stage-Gate-Innovationsprozess nach Cooper und der „Business Model Canvas“-Ansatz von Osterwalder/Pigneur zur gezielten Entwicklung erfolgreicher Geschäftsmodelle (siehe jeweils dazu die Quellenangaben am Ende des Artikels).
Tragender Gedanke aller dieser Methoden ist dabei:
Mittel- und langfristig erfolgreich ist, wer neue Marktangebote schneller entwickelt, als die bisherigen Angebote im Markt veralten. |
Es geht also um die Verkürzung von Innovationszyklen. Viel zu lange haben traditionelle Unternehmen Innovationen stiefmütterlich behandelt. Wie machen das dynamische Jungunternehmen heute?
Die Blue-Ocean-Strategie
Der inzwischen berühmte Strategieansatz fokussiert auf die Fähigkeit von Unternehmen, eigene Märkte zu schaffen („Blue Oceans“), in denen es (noch) keinen Wettbewerb gibt. Denn – so argumentiert das Ansatz – es ist keineswegs das Naturgesetz des Marktes, dass sich ein Unternehmen auf einem gegebenen Spielfeld mit den Wettbewerbern „zerfleischen“ muss („Red Ocean“).
Diese rein wettbewerbsorientierte Sicht entstammt dem Darwinismus-Weltbild des 19. Jahrhunderts. Doch schon Michael Porter hat in seiner bekannten Wettbewerbsvorteils-Strategie aus den 1980er Jahren die Bedeutung der „Nische“ erkannt. Die Blue-Ocean-Strategie erhebt die Nische nun zum Ozean, denn im Prinzip ist ein bestehender Markt immer begrenzt, während ein neu geschaffener Markt unbegrenzt ist – er ist ja noch nicht definiert, als gibt es auch de facto noch keine Grenzen. Die Grenzen sind hier Grenzen des Denkens und der Phantasie. Die grenzenlosen und geschäftlich unerschlossenen Regionen neuer Erfolge warten nur darauf, gedacht und so entdeckt zu werden.
Dazu braucht es nun kreative Umsetzungsmethoden. Hier kommt das Business Model Canvas ins Spiel, das sich auch gezielt auf den Blue-Ocean-Ansatz bezieht.
Das Business Model Canvas
Was ist ein „Geschäftsmodell“? Und wie entwickelt und optimiert man es?
Noch Ende des letzten Jahrtausends wimmelte es in der Literatur von unterschiedlichen Informationen. Das hat sich geändert. Heute ist die anerkannte Definition:
Ein Geschäftsmodell ist die Art und Weise, die ein Unternehmen Wert schöpft und diesen an die Kunden verkauft. |
Diese Definition hat das Business Model Canvas in 9 Felder systematisiert. Alle dafür wesentliche Aktivitäten und Geldströme werden in einem genormten Schaubild („Canvas“) dargestellt und können somit einheitlich diskutiert und optimiert werden.
Auch dafür bietet die Methode Instrumente an: Gezielt werden Stärken und Schwächen einer bestehenden Geschäftsmodellierung lokalisiert und dann nach festen Regeln verändert. Dadurch entstehen teils radikal neue Geschäftmodelle.
In meiner Praxis habe ich oft erlebt, dass Unternehmen auf diese Art entwickelte, neue Geschäftsmodelle zuerst gar nicht verstanden haben: Mit dem bisherigen Wettbewerb kooperieren? Diesem gar die eigene Kundenbasis zur Verfügung stellen (Stichwort Partnerprogramm von amazon)? Wertvolle Angebote an die Kunden verschenken (Stichwort Freemium-Modelle)?
Diese und viele andere Lösungen erfordern radikal andere Denkweisen und die Bereitschaft des Managements, neue Wege zu gehen. Kurz gesagt: Mut. Den kann keine Methode herzaubern, aber doch die Lösungswege, die gegangen werden können und auf die sich dieser Mut dann richten muss. Ein wenig helfen kann dabei die Managementmethode des Stage-Gate-Prozesses.
Der Stage-Gate-Prozess
Grundsätzlich sind alle Konzepte hinfällig, die nicht umgesetzt werden. Der Stage-Gate-Prozess nun ist die Methode der Wahl, wenn es um die systematische Steuerung von Innovationszyklen im Unternehmen geht. Dabei werden gezielt Entwicklungsschritte („Stages“) wie beispielhaft „Ideenfindung“, „Ideenbewertung“, „Business Case“, „Prototyping“, „Validierung“ und „Markteinführung“ mit sogenannten „Gates“ verknüpft.
Diese Gates sind Entscheidungsfindungen zum weiteren Vorgehen: Soll der nächste Entwicklungsschritt begonnen oder an dieser Stelle angebrochen werden? Der Abbruch einer Entwicklung, in herkömmlichen Prozessen eher als Misserfolg verstanden, wird hier interpretiert als Vermeidung absehbaren Misserfolgs und Freimachen der Ressourcen für bessere Ideen. So werden mehr und schnellere Innovationszyklen möglich.
Nach einiger Zeit der Anwendung dieses systematischen Prozesses hat das Unternehmen Erfahrungswerte über typische Verhältnisse in diesem Prozess: Wie viele Ideen brauche ich, um ein erfolgreiches, neues Angebot im Markt zu platzieren? Wie viele Business Cases muss ist rechnen, bis ich einen Case habe, der meinen Rentabilitätsanforderungen entspricht?
Solche Erfahrungen sind Gold wert, denn sie erlauben eine mittelfristige Ressourcenplanung für Innovationen, und damit eine langfristige Erfolgsplanung für Wachstum und Profitabilität.
Ausblick
Diese und weitere neue Methoden sind inzwischen gut verstanden und erforscht, und ihre Erfolgswirkung ist bewiesen. Dennoch sind noch viele Unternehmen nur im traditionellen Modus „Kosten senken und mehr Vertriebsarbeit“ unterwegs. Denn die erfolgreiche Anwendung dieser Methoden erfordert Wissen und Erfahrung – und das fehlt in gewachsenen Managementteams oft.
Es wird Zeit auch für traditionelle Unternehmen, Innovationsmanagement genauso professionell zu betreiben wie Marketing und Vertrieb.
Quellenangaben:
Cooper, Robert G.: „Winning at New Products: Creating Value Through Innovation”, Basic Books, 2011.
Kim, Chan W.; Mauborgne, Renée A.: “Blue Ocean Strategy, Expanded Edition: How to Create Uncontested Market Space and Make the Competition Irrelevant”, Harvard Business Review Press, 2015.
Osterwalder, Alexander; Pigneur, Yves: „Business Model Generation: A Handbook for Visionaries, Game Changers, and Challengers”, John Wiley & Sons, 2010.
Der Autor: Dipl.-Kfm. Ingmar P. Brunken ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung BRUNKEN CONSULTING (www.brunken-consulting.com) und spezialisiert auf profitable Umsatzsteigerung. Er publiziert zudem Fachartikel in den führenden Medien (z.B. Harvard Business Manager, Manager Magazin) und ist Autor des Wirtschaftsbestsellers „Die 6 Meister der Strategie“ (Econ/Ullstein-Verlag). Seit 2004 ist Ingmar Brunken auch Referent und Moderator von Konferenzen und Seminaren beim ManagementCircle.
In den Artikel sind seine langjährigen Beratungs- und Umsetzungserfahrungen mit Wachstumsprogrammen für mittlere und größere Unternehmen eingeflossen.
Sie erreichen den Autor unter ingmar.brunken@brunken-consulting.com.
Hinweis: Der ManagementCircle bietet verschiedene Seminare zum Thema Business Development bzw. Innovationsmanagement an. Diese können das Wissen vermitteln, wie erfolgreiche Geschäftsentwicklung betrieben wird, und den Lernzyklus des Unternehmens so deutlich verkürzen.
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